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Digitaltag 2019

Workshop „Hate Speech und Fake News“

Digitaltag am Gymnasium Puchheim. Zweiter Stock. Dritte Stunde. Auf einer Leinwand ist ein Video zu sehen. Barack Obama hält eine Rede. Doch… Moment mal… was spricht der Ex Präsident der USA denn da? Redet von „fucked up“ und „bitches“, eine Wortwahl, die man eher dem aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten zutrauen würde. Ist das wirklich echt? Die Antwort wird schnell deutlich, denn neben dem Gesicht von Obama ist plötzlich ein zweites zu sehen. Das, was dieser zweite Mann spricht, scheint dem ehemaligen Staatsmann auf wundersame Weise in den Mund gelegt. Face Swapping ist der Begriff dafür. Mit dieser Bildtechnik lassen sich mittlerweile sogar Videoaufnahmen von sprechenden Personen täuschend echt fälschen. In diesem Fall spricht Barack

Obama wie ferngesteuert die Worte eines anderen. „Damit“, erklärt der Medienpädagoge Daniel Wolff den Gymnasiasten der 9. und 10 Klassen, „ist eine neue und gefährliche Stufe der Bildmanipulation erreicht.“ Denn Fake News, also bewusst gestreute Falschmeldungen, sind zwar kein neues Phänomen in der Berichterstattung, doch ihre immer perfektere Darstellung und die strategisch gezielte Verbreitung geben heutzutage berechtigten Anlass zur Sorge. „Fragt euch mal“, mahnt der Medientrainer, „was die Folgen sein könnten, wenn mittels solcher Techniken ein Staatsoberhaupt dem anderen den Krieg erklärt?“ Glücklicherweise lassen Geheimdienste weltweit an Programmen forschen, die Face Swapping und ähnliche Techniken als Fälschung entlarven. Doch im Alltag – warnt der Experte – sei niemand immun gegen Fake News. Umso wichtiger, sich gut gewappnet und kritisch durch die Medienlandschaft zu bewegen. Daniel Wolff zeigt daher Beispiele für Fake News und sucht zusammen mit den Schülerinnen und Schülern nach Hinweisen, anhand derer falsche Nachrichten, Emails, Angebote oder Schlagzeilen entlarvt werden können: „Achtet auf die Quellen, checkt Fakten und Bilder zum Beispiel mit der Rückwärtssuche und leitet keine Nachrichten oder Emails weiter, deren Echtheit nicht gesichert ist“, lauten die Tipps des Medientrainers. Manchmal – erfahren die Schüler – handelt es sich auch schlichtweg um Satire, also ironisch spöttische Nachrichten, die meist als gesellschaftskritischer Witz gemeint sind. Unfreiwillig komisch bis verstörend wird es aber immer dann, wenn diese, z.B. in sozialen Netzwerken, nicht als Satire erkannt, sondern  stattdessen ernsthaft oder gar boshaft kommentiert und als Tatsache weitergereicht, geteilt werden.

Auch so können Hassbotschaften entstehen, die sich wie ein Lauffeuer verbreiten und verselbständigen können. Sogenannte Hate Speech Mitteilungen richten sich immer gegen Gruppen, z.B. ethnische oder religiöse. Gegen Frauen, Homosexuelle oder behinderte Menschen; eben meist gegen Teile unserer Gesellschaft, die so z.B. von rassistischen, rechtsgesinnten oder anderweitig extremistisch denkenden Menschen systematisch beschimpft, verletzt und ausgegrenzt werden sollen. „Das macht Hate Speech zu einem mächtigen, manipulativen und daher gefährlichen Mittel in allen sozialen Netzwerken und News-Gruppen“, warnt der Medienpädagoge. Denn mittlerweile, so erklärt er, ließen sich für ein paar hundert Euro im Internet tausendfach Accounts kaufen, die mittels sogenannter Bots, also einer Art Internet-Roboter, gezielt eingesetzt würden, um Hassbotschaften zu verbreiten. So lässt sich eine einzelne Meinung tausendfach multiplizieren. Hinter solchen Accounts verbergen sich demzufolge keine echten Menschen, sondern eben beschriebene Bots. So wird vorgegaukelt, dass eine Vielzahl von Menschen einer bestimmten Hassbotschaft zustimmen. In Wirklichkeit aber sind es nur eine Handvoll oder gar nur eine einzige reale Person, welche auf diese Art und Weise Stimmung machen und manipulieren möchte. Was aber kann man tun, um einen Bot von einem echten Menschen zu unterscheiden? „Stellt eine unvorhergesehene Frage“, schlägt Daniel Wolff vor. Ein Bot könne diese (zumindest noch) nicht beantworten. Hassbotschaften sollten übrigens immer gemeldet werden. Das kann man beim Betreiber der jeweiligen Seite machen, hat aber – wie der Experte weiß – leider oft keinen nachhaltigen Effekt. Sein Tipp: „Wendet euch im Zweifelsfall an die zuständige Polizeidienststelle und erstattet Anzeige“. Schließlich wird Hate Speech mittlerweile zumindest mit empfindlichen Geldstrafen geahndet.

Digitaltag am Gymnasium Puchheim. Zweiter Stock. Vierte Stunde. Auf der Leinwand vor der Tafel ist jetzt ein offenbar ausländisches Kind zu sehen. Sein Kopf steckt in einer Toilettenschüssel. Der Urheber dieses Bildes findet dies wohl lustig. Die Gymnasiasten nicht. Niemand lacht. Ernst, schweigend, betroffen schauen die Schülerinnen und Schüler auf das Bild. An dieser Stelle des Vortrags erfahren sie, dass Hate Speech nicht nur mit Worten geschieht. Auch und gerade mit Hilfe von Bildern. „Fragt euch, wie ihr euch fühlen würdet, wenn ihr an der Stelle dieses Kindes wärt“, sagt der Pädagoge. Denn Mitgefühl ist ein gutes Mittel gegen Hass.

Regine Gerriets, Elternbeirat

 

„Sei smarter als dein Smartphone“ / „Überlebenstipps für Eltern“

‚Wann sollte ich meinem Kind ein Smartphone erlauben?‘, eine der meistgestellten Fragen erzählt Daniel Wolff. Der ehemalige IT-Journalist, Gymnasiallehrer und mittlerweile Medientrainer will den etwa 150 interessierten Eltern heute Abend „Smartphone Überlebenstipps“ geben. Seine Antwort seien zwei Gegenfragen: 1. Wie gut kennen Sie sich selbst mit digitalen Medien aus? 2. Wieviel Zeit haben Sie für Ihr Kind? „Wenn jemand mit den Möglichkeiten des Smartphones vertraut ist und um die Gefahren, die im Internet lauern weiß, ist das schon mal gut. Wenn man sich darüber hinaus auch viel Zeit für seine Kinder nehmen kann, um diese im Umgang mit ihrem Smartphone zu begleiten, dann spricht nichts dagegen, dem Kind vielleicht auch schon im Grundschulalter ein Smartphone zu erlauben.“ Hätten Eltern aber weder Zeit noch Ahnung, sollten sie Smartphone und Co. möglichst lange von ihrem Kind fernhalten.

Es gehe nicht darum – führt der Experte aus – Handynutzung schlecht zu reden. Die meisten von uns haben schließlich eines. Und auch Kinder können das Smartphone auf tolle Art und Weise verwenden und viel Spaß damit haben. Aber eben nicht auf eigene Faust und nur in vernünftigem Maß. Keinesfalls, und das wird Daniel Wolff an diesem Abend immer wieder betonen, sollten Eltern ihren Kindern erlauben, das Smartphone über Nacht mit ins Kinderzimmer zu nehmen. Weder als Einschlafhilfe, noch als Wecker. „Ihr Kind wird den WhatsApp Nachrichten seiner Klassenkameraden aus dem Chat nicht widerstehen können.“ Außerdem machten Eltern sich damit gegenseitig die Erziehungsarbeit unglaublich schwer, versucht Wolff zu verdeutlichen. Das Schlimmste jedoch sei: Im nächtlichen Schlafzimmer haben Kinder und Jugendliche ungehinderten Zugang zur großen, weiten und mitunter sehr unschönen Welt des Internets. Denn Jugendschutz ist hier praktisch nicht vorhanden. Dazu hat er Beispiele parat: Von, zwar animierten, doch durchaus realistisch dargestellten, brutalen Tötungsszenarien, die an diesem Abend nicht wenige der elterlichen Zuhörer zum Wegschauen zwingen. Von scheinbar harmlosen Spieleseiten, auf denen die Kinder leider immer wieder mit getarnten Pädophilen in direkten Kontakt kämen. Dass diese Seiten auch frank und frei den Wohnort der Kinder preisgeben, ist den meisten Eltern nicht bekannt. Der Referent zeigt auch Beispiele von Pornoseiten, auf denen Kinder schnell, unvorbereitet und vor allem unabsichtlich landen könnten. Spürbares Unbehagen in der Aula.

„Ihr könnt Gesehenes nicht ungesehen machen“ hatte Daniel Wolff den Kindern der 5. Klassen zu diesem Thema am Vormittag eingeschärft und sie vor solchen Gefahren gewarnt. Denn, wenn Kinder sich mittels Smartphone oder heimischem Laptop im world wide web bewegen, müssen sie auf solcherlei Risiken vorbereitet werden. Deshalb appelliert Wolff am Abend an die Eltern: „Allein Sie sind dafür verantwortlich Ihr Kind zu schützen. Im Internet und in sozialen Netzwerken“. Wie erfinderisch Kinder und Jugendliche im Aushebeln von Mediennutzungsregeln sein können, weiß der dreifache Vater aus eigener Erfahrung. „Doch das ist bis zu einem gewissen Grad doch ganz normal und war in unserer eigenen Jugend nicht anders“, erinnert er sich. Nur, dass es damals überwiegend um Regeln und Grenzen in der realen statt in einer virtuellen Welt ging. Heute ist im Umgang mit dem Smartphone vor allem wichtig, dass Eltern und Kinder im Kontakt bleiben, sich dafür interessieren, was dem jeweils anderen im Internet und auch abseits davon gefällt. „Drohen Sie niemals damit, Ihrem Kind das Handy wegzunehmen“, beschwört der Medientrainer die Eltern. Denn aus Furcht vor dem Verlust des Handys würden Kinder und Jugendliche sich womöglich nicht mehr vertrauensvoll an ihre Eltern wenden wollen, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten und dringend Hilfe benötigten. „Verhandelt mit euren Eltern!“ hatte er den Kindern am Vormittag vorgeschlagen. Nach dem Motto: ‚Ich erzähle euch, was mir im Internet passiert ist, aber nur, wenn ich mein Smartphone behalten darf.‘ Den Eltern rät er sich darauf einzulassen und das Versprechen unbedingt einzuhalten. „Lehrer“, ergänzt er noch, „sind übrigens nicht verantwortlich für die Medienerziehungsarbeit.“ So hätten sie rechtlich zum Beispiel keinerlei Zugriff auf die WhatsApp Gruppen ihrer Schüler und könnten daher auch nicht eingreifen, wenn es beispielsweise um Mobbing Verdacht ginge. Aber die Lehrkräfte können informieren und unterstützen. Ein offenes Ohr anbieten und bei Bedarf und Wunsch zwischen Kind und Elternhaus vermitteln. Das kann und will auch die stellvertretende Schulleiterin Dr. Monika Christoph für das Puchheimer Gymnasium bestätigen: „Wenn alle an einem Strang ziehen, wenn Elternhaus, Schule und Schüler vertrauensvoll und eng zusammenarbeiten, dann kann Medienerziehung erfolgreich gelingen“.

Regine Gerriets, Elternbeirat